Wenn ich leere Phrasen und gebrochene Versprechen mit sozialistischem Anstrich wollte, wäre ich in die SPD eingetreten.

Ich bin nach der Bundestagswahl 2017 in die Linkspartei eingetreten. Zum einen, weil Nazis im Parlament waren und in mir das Gefühl bestand wenigstens irgendwas zu tun, um zu verdeutlichen, dass mir diese ganze Scheiß zuwider ist, aber auch weil ich schon in den Jahren zuvor politisch, von einer komsichen zentristischen “alle sind irgendwie scheiße” Position, mehr und mehr nach links gedriftet bin. Was genau für mich “links” hieß, war allerdings sehr vage. Der Kapitalismus ist halt scheiße und muss weg und auch Rassismus und so am besten gleich mit.

Je mehr ich mich jedoch politisch beschäftigte, desto mehr präzisierte sich meine Position. Im letzten Jahr dann, auch als Reaktion auf die Pandemie und die demonstrierte Menschenverachtung von Seiten der Regierung, fing ich endlich auch tatsächlich mal mich mit der Frage zu beschäftigen: “Wenn der Kapitalismus kacke ist, was soll an seiner statt existieren, und wie kommen wir dahin?”

Es begann ein bizarrer Prozess, wo ich innerhalb weniger Monate, nach Lektüre von nicht direkt sonderlich viel Text, meine eigene Position nicht nur präzisiert hatte, sondern auch mich plötzlich in einer Situation fand, wo ich mich zwar politisch bewegt habe, die Partei deren Mitglied ich bin, jedoch weiter dort war, wo sie zuvor stand.

Die Linkspartei war in dem Sinne einer guter Platz für den Eric von 2017, weil sie insgesamt ähnlich vage gestikulierend zu den momentanen Problemen steht. Klar, der Kapitalismus und Nazis sind kacke, aber fängst du an zu graben, was genau das denn im einzelnen heißt, stellt sich raus, dass der Ozean in dem fischen wolltest, eigentlich nur eine sehr breite Pfütze ist.

Ich hab im letzten Jahr mehr und mehr den Eindruck erhalten, dass viele, vor allem in der Führung der Linkspartei, sich aus irgendeinem Grund danach sehnen, die nächste SPD zu werden und Freunde, ich hab euch zwar gern, aber meine Lebenszeit ist begrenzt und hierfür bin ich nicht da.

Da beschließt die Regierung inmitten von steigenden Fallzahlen, die schrittweise Öffnung von Geschäften, Restaurants und Schulen, während jeder 35. an Corona erkrankte Mensch in Deutschland daran verstorben ist. Da erkranken 150 Menschen an Corona, weil sie mitten im Februar bei Außentemperaturen von -10 grad in einer Eiscremefabrik arbeiten müssen, und die neue Bundesvorsitzende Janine Wissler schafft es zwar insgesamt die richtigen Dinge anzusprechen, doch wird jede Kritik eingerahmt, als das resultat individueller Inkompetenz oder Unwissen und nicht als das was es tatsächlich ist: Systematische Menschenverachtung.

Statt darauf hinzuwirken, dass in dieser Krise, die Menschen die nichts haben und vom Kapitalismus in den Tod geschickt werden, den Mut finden für sich selbst einzustehen, wird simpelste Oppositionspolitik betrieben. Vermutlich irgendwie in dem Gedanken, eventuell, wenn man vielleicht selbst an der Macht wäre, irgendwie vielleicht dann doch die Dinge besser machen zu können. Es wird eine Politik nach Wahlterminen und -ergebnissen betrieben und Menschen glauben, dass “Verantwortung übernehmen” und “Macht ausüben” ein und dasselbe sind.

Irgendwo in einer Antrittsrede während des letzten Parteitages (ich hab vergessen wer es war), wurde erwähnt, wie viele Mitglieder der Linkspartei sich doch in Wahlkämpfen anstrengen, oft für Ergebnisse und Erfahrungen die sehr ernüchternd sind. All Dies stimmt. Was ich mich nur frage ist, was wird von Seiten der Parteiführung getan, um diesen Menschen, die sich oft täglich für diese Partei einsetzen, ein Ziel zu geben, für dass sich dieser Einsatz auch tatsächlich lohnt?

Ich kann hier nur für mich sprechen, aber nichts, was mir die Linkspartei gerade anbietet, gibt mir einen Grund mich anzustrengen. Was ich kriege, sind halbgare, austauschbare Phrasen, die in ähnlicher Form auch von anderen Parteien kommen. Aussagen, in denen keine Spur von Mut, aber jede Menge Angst davor sich tatsächlich festzulegen steckt.

Und so wird all die Mühe die sich Menschen machen verschwendet, um eventuell mithilfe von vagen Zielen und Versprechungen, vielleicht ein paar mehr Menschen in Mandate oder Ämter zu heben. Mit diesen Mandaten und Ämtern gelingt es uns vielleicht sogar, dass für ein paar Jahre die Ausbeutung etwas weniger drastisch, die Polizei etwas weniger offensichtlich rassistisch und die Ewigkeitskriege etwas weniger ewig werden. Doch diese marginalen Verbesserungen und Kompromisse (und mehr wird es nicht) werden auf den Rücken von unzähligen ausgebrannten und desillusionierten Menschen erkämpft und bei nächstbester Gelegenheit schwingt das Pendel wieder in die anderen Richtung und der Spaß geht von vorne los.

Mir ist klar, dass es ein Risiko ist, sich wirklich auf etwas festzulegen, nur ist ebenso feige, Menschen für etwas arbeiten zu lassen, für dass sie eventuell gar nicht einstehen wollen. Gerade weil die Arbeit in einer Partei, die politisch am Rand steht, oft undankbar ist, schuldet es die Parteiführung und die Mitglieder die in irgendeiner Form ein Amt oder Mandat innehaben, der Parteibasis gegenüber eine klare und deutliche Botschaft auszusenden.

Ich habe es bereits häufiger innerhalb der Partei beobachtet, wie in Fällen wie diesen, wo ein Mitglied grundsätzliche Kritik an der Arbeit der Partei übt, Kommentare kommen, dass sich ja nichts ändern würde, wenn du dich nicht selbst einbringen würdest, und dass ja alles offen für alle sei.

An dieser Aussage sind zwei Dinge nicht gerade toll: Erstens drücken sie eine komische, neoliberale Haltung aus, in der Menschen, die auf Probleme hinweisen, dafür verantwortlich gemacht, diese Probleme doch bitte selbst zu lösen, statt zu verstehen, dass manches auch systemisch bedingt und nur schwer durch individuelle Aktionen gelöst werden kann.

Zweitens stell ich mir hier wieder nur die Frage, welchen Sinn es für alle Beteiligten hat, wenn ich auf Versammlungen rumtanze, für Ämter kandidiere und ich am Ende nur als Wirrkopf angesehen werde, weil es mir nicht reicht, wenn Wohnraum nur bezahlbar und die Polizei reformiert wird, sondern ich Wohnraum für alle haben will (egal ob sie es sich sich ‘leisten’ können), und ich die Polizei und den gesamten Staat auf die historische Müllhalde befördern möchte.

Klar kann ich das machen, und vermutlich werde ich das sogar für ‘ne Zeit. Allerdings stellt sich hier die Frage, was effektiver ist: Sich zum Clown in einer Partei machen, oder mich auf ‘ne Kiste stellen und an irgendeiner Straßenecke rumpöbeln. Ich weiß definitiv, wo mich mehr Menschen hören werden, und das wird nicht bei der Linkspartei sein.

Individuelles Engagement kann nur so weit gehen, wenn es immer und immer wieder auf Widerstände stößt. Zwar hat die Partei in den letzten Jahren viele neue Mitglieder bekommen, doch wird die gesamte Energie die von diesen ausgeht vollkommen ins Nichts gehen, wenn die Verantwortlichen in der Partei weiterhin so mut- und ideenlos bleiben.

Die Geschichte wartet nicht auf Parteitagsbeschlüsse und die richtigen Mehrheitsverhältnisse in Parlamenten, und ich persönlich bin es Leid, immer wieder auf irgendeine nebulöse Zukunft verwiesen zu werden, wenn uns doch jetzt schon die Zeit davon läuft.